Erster Advent im St. Spyridon

Keinem Kind wünscht man zur Geburt, irgendwann einmal in einer Nachtunterkunft schlafen zu müssen. Denn eine Nachtunterkunft ist ein Behelf, kein Heim, ist geteiltes Leid, eng neben anderen. Nun ist die Kindheit der meisten Besucherinnen des St. Spyridon schon lange vergangen und bei dem einen oder der anderen lagen zwischen damals und heute auch viele schöne Tage. Zum Beispiel im Leben von Eugen: Bis zum Alter von 38 Jahren verlief sein Leben so geregelt, wie das in den Umbruchzeiten nach dem Fall der Mauer möglich war. Als die Mutter verstarb, wollte er das geerbte Haus verkaufen und sich in Russland eine Existenz aufbauen. Er geriet an windige Geschäftsmänner und stand letztlich ohne Geld, ohne Haus und ohne Hoffnung da. Weitere zehn Jahre verbrachte er in einem Kloster. Nun ist er häufig im St. Spyridon, zumal in den kalten Nächten. Als Obdachloser ist er der Abschaum der Gesellschaft, missachtet und entrechtet. Weil jeder und jedem von uns tief im Inneren klar ist, dass uns nichts von ihm unterscheidet. Es ist die Angst, genau so zu enden, die Menschen auf Arme herabblicken lässt. Aber selbst Gottes Sohn kam in einer Behelfsunterkunft zur Welt. Dann lässt sich doch bei Lichte betrachtet weder die Furcht noch die Abscheu aufrecht erhalten. Ersetzen wir es durch tätiges mit- Leiden.

Immer wieder werden die Menschen im St. Spyridon mit Lebensmitteln beschenkt, besonders an Festtagen wie jetzt im Advent.
Rechts Eugen, der mit seiner Mutter vor 16 Jahren auch das Dach über dem Kopf verlor.