Während viele der Geflüchteten Ukrainer*innen in Polen und Rumänien zuflucht suchen, kommen auch einige von Ihnen nach Moldawien. Manche wollen bleiben, viele wollen weiter, möglichst weit weg von den Schrecken des Krieges.
Pfarrer Aga in Orhei hat in den letzten Tagen schon Menschen auf der Flucht beherbergt. Aus dem Nothilfebudget von Fortotschka kauft er Lebensmittel, Hygieneartikel und auch Sim- Karten. In Kontakt mit Ihren Angehörigen zu bleiben ist für die Familien aktuell das Wichtigste.
Voraussichtlich wird der Andrang in den nächsten Tagen und Wochen zunehmen! Dann kommt es auf uns an: Stehen auch Sie den Menschen in Osteuropa bei! Helfen Sie denen die fliehen und denen, die Aufnehmen.
Auch in Moldawien setzten sich viele für die Geflüchteten ein und spenden, wie etwa diese Lieferung zu einem Verteilzentrum nahe Orhei zeigt. Bedarfe und Angebote für die Geflüchteten werden von Freiwilligen in Orhei erfasst und in einer Datenbank verwaltet. So kommt die Hilfe schnell dort an, wo sie gebraucht wird.
Wann wird eine schlimme Situation unerträglich? Svetlana hat sich diese Frage vermutlich jeden Tag gestellt. Sie ist Mutter von vier Kindern. Mit den zwei jüngeren hat sie vor kurzem bei ihrem Bruder Schutz gesucht vor den Schlägen ihres Mannes. Auch dort lebt sie nun auf engstem Raum und ohne Einkommen. Von Staatsseite gäbe es Hilfen, aber für die braucht es eine Meldeadresse, an die Post gesendet wird. Wie bei vielen Formen von Obdachlosigkeit liegt die Vermutung nahe, dass die Verwaltung nicht besonders an ihnen interessiert ist, sonst würde sie wohl von einer Wohnungslosen keine Adresse verlangen.
Auch Pfarrer Aga findet diese Situation unerträglich. Daher bemüht er sich nach Kräften, im noch fertigzustellenden Teil des Sozialzentrums Orhei eine Unterkunft mit Meldeadresse für solche Fälle aufzubauen. Hoffentlich finden sich genügend Unterstützer, damit dieses Ziel noch in diesem Jahr erreicht werden kann.
Vorerst bleibt ihm nicht viel mehr als Svetlana aus dem Nothilfefonds von Fortotschka einige Holzbriketts zu schenken, dazu Kleider aus der Kleiderkammer und Waschmittel aus einer holländischen Spendenlieferung. Die Not ist groß und der Winter noch nicht vorüber.
Svetlana und ihre zwei jüngsten Kinder können sich in der Kleiderkammer im Sozialzentrum neu eindecken. Nach der Flucht vor ihrem Mann ist Svetlana bei ihrem Bruder untergekommen. Auch das ist eine Form der Obdachlosigkeit.
Pfarrer Aga ist vieles: Pastor der rumänisch-orthodoxen Kirche in Orhei, Leiter der Christlichen Filantropie in Orhei, damit Chef der Nachtunterkunft St. Sypridon und seit zwei Jahren auch Abgeordneter im Kreistag. Außerdem ist der Mittvierziger auch Vater von zwei Kindern, Seelsorger, Logistiker für dringend benötigte Hilfsgüter und vor allem ein großer Organisator.
Auch den Lesern, die nicht rumänisch sprechen, könnte aufgefallen sein, dass Pfarrer Aga sich bei jeder Gelegenheit vor einer rumänischen Flagge fotografieren lässt und dabei gerne den einen Satz stets wiederholt: Bassarabia e România – Moldawien gehört zu Rumänien. In Rumänien läuft diese Forderung unter dem Stichwort România Mare – Großrumänien.
Das klingt in deutschen Ohren – gelinde gesagt – befremdlich. Territoriale Veränderungsansprüche wecken hierzulande böse Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg. Moldawien wiederum ist schon seit dem ersten Weltkrieg Schauplatz westlicher und östlicher Interessenskonflikte und hat die Zeit in der Sovjetunion noch sehr frisch in Erinnerung.
Diese Erinnerungen drängen sich aktuell wieder in die Tagespolitik, denn Moldawien grenzt an zwei Länder: Rumänien im Westen und die Ukraine im Osten. Dazwischen liegt eine kleine separatistische Zone, die Republik Transnistrien, seit den 50er Jahren bis nach dem Mauerfall Standort der 14. russischen Gardearmee. In Moldawien selbst ist die russische Bevölkerung in der Minderheit. Aber wenn die Ostgrenze tatsächlich russisch würde, bekäme die Forderung der Integration Moldawiens in den rumänischen Staat sicher eine anderen Klang. Denn Rumänien ist, im Gegensatz zu Moldawien, Nato-Mitglied.
Als Leiter der rumänisch-orthodoxen Kirche in Orhei nimmt Pfarrer Aga auch an rumänischen Gedenkfeiern teil. Im Hintergrund die Flaggen Moldawiens (mit Wappentier) und Rumäniens (ohne Wappentier).
Die mittlerweile einjährige Geschichte des St. Spyridon ist auch eine von viel Nachbarschaftshilfe. Immer wieder bekommt das Projekt und damit die Übernachtungsgäste Kleidung, Brot, Kuchen, und Hygieneartikel geschenkt, nun zum wiederholten Male auch Fleisch von einer ortsansässigen Fleischerei. Es schmeckte offensichtlich sehr gut …
Die unverhoffte Mahlzeit aus der Lebensmittelspende einer Fleischerei aus Orhei wird im St. Spyridon dankbar angenommen.
Weihnachten ist auch das Fest der verschiedenen christlichen Traditionen: Bescherung am Heiligen Abend wie in Deutschland, am ersten Feiertag im angelsächsischen Sprachraum oder am 6 Januar in den orthodoxen Kirchen. Der 25. Dezember ist im orthodoxen Kalender der „alten Art“ der Tag des Heiligen Spyridon, Namensgeber der Nachtunterkunft in Orhei. Und der wurde auch gebührend gefeiert. Für die Anwesenden bedeutet dieses Fest auch: Seit fast einem Jahr gibt es in Orhei eine Anlaufstelle für Menschen ohne Obdach. Ein Grund zur Freude, sehr passend zu Weihnachten.
Am 25. Dezember, dem Tag des Heiligen Spyridon, ist der Tisch in der Nachtunterkunft noch reicher gedeckt als sonst.
Es geht wieder einmal um Geld. Landauf, landab reden Menschen davon, was teurer geworden ist und dass die Inflation die Vermögen schmelzen lässt. „Wohin mit dem Geld?“
Nicht immer hat die Bibel konkrete Antworten auf konkrete Fragen, aber in dieser Angelegenheit ist das neue Testament sehr ergiebig: Das Gleichnis vom reichen Kornbauern (Lk. 12, 16-21) stellt die Frage der Geldanlage in den Zusammenhang des baldigen Todes. Matthäus 6, 19-20 macht es noch deutlicher: Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo die Motten und der Rost sie fressen, und wo die Diebe nachgraben und stehlen.Sammelt euch aber Schätze im Himmel […]. Und über den reichen Menschen, der alle Gebote einhielt, seine Habe aber nicht teilen wollte, sagte Jesus (Mk.10,25) „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“
Wohin also mit dem Geld? „Unter den Armen verteilen“. Heute sagt man dazu: Spenden.
Pfarrer Aga mit Nachtgästen im Vorraum des St. Spyridon, der als Kleiderkammer genutzt wird.Vova, der erste Gast des St. Spyridon, kommt immer noch sehr regelmäßig. Pfarrer Aga versucht auch, die Nachtgäste in das Gemeindeleben einzubinden, wie bei diesem Gottesdienst anlässlich eines rumänischen Feiertages.
Keinem Kind wünscht man zur Geburt, irgendwann einmal in einer Nachtunterkunft schlafen zu müssen. Denn eine Nachtunterkunft ist ein Behelf, kein Heim, ist geteiltes Leid, eng neben anderen. Nun ist die Kindheit der meisten Besucherinnen des St. Spyridon schon lange vergangen und bei dem einen oder der anderen lagen zwischen damals und heute auch viele schöne Tage. Zum Beispiel im Leben von Eugen: Bis zum Alter von 38 Jahren verlief sein Leben so geregelt, wie das in den Umbruchzeiten nach dem Fall der Mauer möglich war. Als die Mutter verstarb, wollte er das geerbte Haus verkaufen und sich in Russland eine Existenz aufbauen. Er geriet an windige Geschäftsmänner und stand letztlich ohne Geld, ohne Haus und ohne Hoffnung da. Weitere zehn Jahre verbrachte er in einem Kloster. Nun ist er häufig im St. Spyridon, zumal in den kalten Nächten. Als Obdachloser ist er der Abschaum der Gesellschaft, missachtet und entrechtet. Weil jeder und jedem von uns tief im Inneren klar ist, dass uns nichts von ihm unterscheidet. Es ist die Angst, genau so zu enden, die Menschen auf Arme herabblicken lässt. Aber selbst Gottes Sohn kam in einer Behelfsunterkunft zur Welt. Dann lässt sich doch bei Lichte betrachtet weder die Furcht noch die Abscheu aufrecht erhalten. Ersetzen wir es durch tätiges mit- Leiden.
Immer wieder werden die Menschen im St. Spyridon mit Lebensmitteln beschenkt, besonders an Festtagen wie jetzt im Advent. Rechts Eugen, der mit seiner Mutter vor 16 Jahren auch das Dach über dem Kopf verlor.
Der neue Rundbrief berichtet von großen Projekten und kleinen Schritten, von Wegen der Besserung und wie immer vor allem von Menschen und ihrem Schicksal. Wichtige Notiz aus der Mitgliederversammlung: Das Konto bei der VR- Bank Bamberger- Forchheim wird aufgelöst. Bitte verwenden Sie für Spenden nur noch das weiter unten angegebene Konto bei der Sparkasse Coburg- Lichtenfels.
Lidia (links) die Angestellte aus der Nachtunterkunft, hilf auch beim Einbau der Lüftungsanlage in den Schlafräumen des St. Spyridon.
Der Name Michael, rumänisch Mihai, stammt aus dem hebräischen und bedeutet übersetzt: „Wer ist wie Gott?“ Eine rethorische Frage, denn niemand kann sich mit Gott messen. Bestimmt auch deshalb ist der Erzengel Michael in der Bibel der Bezwinger des Teufels. Mit dieser listigen und zugleich frommen Frage kann nämlich alles menschliche Machtgebahren als Trugbild entlarvt werden. Wer ist wie Gott? Gelebte Nächstenliebe macht uns nicht göttlich, aber im besten Sinne menschlich – zu Kindern Gottes. Mihai konnte das gut gebrauchen, denn er ist aufgrund seiner Behinderung seit langem auf Fürsorge angewiesen. Pfarrer Aga organisierte für ihn einen Rollstuhl und aus dem Nothilfefonds steuerte er Lebensmittel und für einen Monat und einen kleinen Backofen bei. Ich glaube, das wird Gott gefallen.
Mihai hat sichtlich Freude an seinem neuen Gefährt. Momentan kümmert sich seine Schwester (links hinten) um Mihai, seit die Mutter dies nicht mehr kann.
Lieber Arm dran als Arm ab heißt es ja. Ion könnte vermutlich nicht darüber lachen, ihm fehlen beide Beine. Er lebt allein und muss sich täglich damit herumschlagen wie es ist, alt, krank und arm zu sein. Vom Staat ist außer einer mickrigen Rente nichts zu erwarten: Der nächste Platz in der ambulanten Betreuung wird in vier Jahren frei. „Wer weiß, ob ich das überhaupt noch erleben würde“ sagt er selbst. Eine verfahrene Situation. Aber nicht hoffnungslos. Denn Hoffnung keimt schon im Kleinen, in der zwischenmenschlichen Begegnung. Pfarrer Aga hat ein Ohr für die Sorgen und Nöte von Menschen wie Ion. Und selbst in Fällen, in denen er keine Wunder wirken kann, will er auch nicht tatenlos bleiben. Ion wünschte sich vor allem etwas ordentliches zu Essen. Also kaufte Pfarrer Aga für 100 € Vorräte für die nächsten Monate ein. Jetzt muss Ion erst einmal nicht mehr von Tütensuppe leben. Und mit seiner eingesparten Rente möchte er eine Pflegekraft bezahlen, die regelmäßig nach ihm schaut. Das gibt Hoffnung.
Seit er beide Beine verlor, ist Ion auf Prothesen und Gehhilfen angewiesen. Die täglichen Besorgungen werden damit zu einer gewaltigen Hürde. Pfarrer Aga erfüllte dem fast mittellosen Rentner den Wunsch nach gutem Essen und kaufte ihm Lebensmittel auf Vorrat.