Der Pfarrer und die Geopolitik

Pfarrer Aga ist vieles: Pastor der rumänisch-orthodoxen Kirche in Orhei, Leiter der Christlichen Filantropie in Orhei, damit Chef der Nachtunterkunft St. Sypridon und seit zwei Jahren auch Abgeordneter im Kreistag. Außerdem ist der Mittvierziger auch Vater von zwei Kindern, Seelsorger, Logistiker für dringend benötigte Hilfsgüter und vor allem ein großer Organisator.

Auch den Lesern, die nicht rumänisch sprechen, könnte aufgefallen sein, dass Pfarrer Aga sich bei jeder Gelegenheit vor einer rumänischen Flagge fotografieren lässt und dabei gerne den einen Satz stets wiederholt: Bassarabia e România – Moldawien gehört zu Rumänien. In Rumänien läuft diese Forderung unter dem Stichwort România Mare – Großrumänien.

Das klingt in deutschen Ohren – gelinde gesagt – befremdlich. Territoriale Veränderungsansprüche wecken hierzulande böse Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg. Moldawien wiederum ist schon seit dem ersten Weltkrieg Schauplatz westlicher und östlicher Interessenskonflikte und hat die Zeit in der Sovjetunion noch sehr frisch in Erinnerung.

Diese Erinnerungen drängen sich aktuell wieder in die Tagespolitik, denn Moldawien grenzt an zwei Länder: Rumänien im Westen und die Ukraine im Osten. Dazwischen liegt eine kleine separatistische Zone, die Republik Transnistrien, seit den 50er Jahren bis nach dem Mauerfall Standort der 14. russischen Gardearmee. In Moldawien selbst ist die russische Bevölkerung in der Minderheit. Aber wenn die Ostgrenze tatsächlich russisch würde, bekäme die Forderung der Integration Moldawiens in den rumänischen Staat sicher eine anderen Klang. Denn Rumänien ist, im Gegensatz zu Moldawien, Nato-Mitglied.

Als Leiter der rumänisch-orthodoxen Kirche in Orhei nimmt Pfarrer Aga auch an rumänischen Gedenkfeiern teil. Im Hintergrund die Flaggen Moldawiens (mit Wappentier) und Rumäniens (ohne Wappentier).